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    Was hat sie denn?

    Wenn ich unterwegs bin, begleitet mich eigentlich fast immer jemand. Egal, ob meine Assistenz, meine Eltern, meine Schwester oder Freunde und egal, ob ich im Kino, am See, zum Shoppen in der Stadt oder in einem Restaurant bin. Aber das sind nun mal auch Dinge, die jeder andere auch nicht unbedingt alleine macht. Was meiner Begleitung dann fast jedes Mal passiert, ist Folgendes: „Oh, das sieht ja schlimm aus. Was hat sie denn?“ Die Begleitung wird auf meine Behinderung angesprochen. Nicht ich. Sie wird gefragt, was ich denn hätte und wie es mir damit geht. Warum machen Menschen das? Aus Unsicherheit oder Unwissenheit? Oder doch eher aus Dummheit und Taktlosigkeit? Trauen sie sich nicht? Denken sie, ich wüsste nicht, was ich für eine Krankheit habe?

    Ich habe schon von so vielen Menschen mit Behinderung gehört und selbst erlebt, dass dieses Phänomen im Alltag öfter auftritt. Die Behinderten werden nicht selbst als Gesprächspartner wahrgenommen, sondern als ein Gesprächsthema. Als wäre man selbst gar nicht anwesend. Als könnte man nicht selbst antworten, als wüsste man nicht Bescheid, als bräuchte man einen Vormund, als wäre man für immer ein Kind.

    Ich werde, wenn ich überhaupt angesprochen werde, auch immer nur geduzt. Ich werde nicht wahrgenommen als ein erwachsener Mensch. Gut, das mag an meinem jungen Aussehen liegen. Aber das ist nicht der springende Punkt. Es passiert so oft, dass Behinderte nicht als vollwertige Erwachsene wahrgenommen werden, weil sie eben behindert sind. Sie werden geduzt, weil sie offenbar als schutzbedürftig wahrgenommen werden. Und die kann man ja duzen. Und nein, ich habe nichts dagegen, dass ich geduzt werde. Der Grund macht es aus!

    Gehe ich mit einer Begleitung zum Arzt, hat dieser oft das Gefühl, meiner Mutter alles erklären zu müssen und sie nach meinen Symptomen zu fragen. Als wüsste ich nicht, wie es mir geht.

    Und diese Situationen treten immer wieder auf, überall. Und es ist mir immer wieder unverständlich.

    Warum fragt ihr nicht uns? Warum sprecht ihr nicht mit uns, mit den Menschen, um die es geht. Warum traut ihr euch nicht, uns anzugucken und zu fragen: „Hey, sagen Sie mal, was haben Sie eigentlich? Ich hab das noch nie gesehen, aber es interessiert mich!“ Problem gelöst! Ihr bekommt eine anständige Antwort, denn niemand selbst weiß es besser als ich und ich bin zufrieden. Ich fühle mich nicht bevormundet oder nicht vollständig wahrgenommen.

    Redet mit den Betroffenen selbst, sie können es! Selbst Kinder könnt ihr fragen, sie werden es euch sagen! Und wenn nicht, haben sie keinen Bock darauf, weil es a) keine Rolle für sie spielt und b) euch nicht kennen. Aber das ist in Ordnung, auch wenn ein erwachsener Behinderter keine Lust hat. Dann erfahrt ihr es eben nicht. Aber quetscht nicht die Begleitung aus. Also, traut euch. Wir sind vollwertige Gesprächspartner. Und wir kennen uns selbst am besten.

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