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    Hautkrebs

    Dass der Tag irgendwann kommen würde, habe ich gewusst, denn bei Epidermolysis bullosa dystrophica ist es keine Seltenheit. Ich stellte mir also nicht mehr die Frage ob, sondern wann. Aber dass es so früh der Fall sein würde, mit 19 – damit habe ich nicht gerechnet.

    Ich hatte eine Wunde am Knie, wie es schon tausend Mal der Fall war. Nichts Besonderes dachte ich, auch, als sie nicht heilen wollte und zu einem Geschwür wurde. Als mein Hautarzt dann zum Hausbesuch kam, wie er es alle drei Monate macht, zeigte ich ihm die Wunde. Und als ich dann in seine Augen sah und er gar nichts mehr sagte, da wusste ich es. Ich wusste, dass es nicht gut war und ich wusste, dass es Hautkrebs war.

    Wir vereinbarten sofort einen Termin zur Probeentnahme. Mein Arzt und meine Eltern sagten, dass es auch etwas Anderes sein könnte, aber ich hatte ein anderes Gefühl.

    Und als ich am letzten Tag meiner Einführungswoche an der Fachhochschule nach Hause kam und meine Mutter weinte, da war ich mir ganz sicher. Es war nichts Anderes, es war Hautkrebs. Vier Tage später saß ich nach vielen Erledigungen, Telefonaten und Stress mit meiner Mutter in Freiburg in der Hautklinik. Dort ist ein spezielles Zentrum für die Krankheit und deshalb wollte mein Hautarzt, dass ich dort behandelt werde.

    Es war ein vollkommen neue Situation für mich. Diesmal war ich nicht da, um mir die Speiseröhren dehnen oder mir die Finger trennen zu lassen und diesmal kannte ich dort keinen, außer einer Ärztin. Es war eine neue Umgebung, weit weg von Zuhause.

    Am Montagmorgen ging es schon los. Es wurde zehnmal versucht, mir einen Zugang zu legen – vergeblich. Dann ging es ins CT, um zu schauen, ob im Bauchbereich alles in Ordnung war oder ob die Lymphknoten betroffen sind und so weiter.

    Dann wurde ich operiert, aber nicht unter Vollnarkose, sondern mit örtlicher Betäubung. Eigentlich dachte ich ,,Ach, die zwei Spritzen, das wird schon nicht schlimm werden!“. Falsch gedacht. Denn aus zwei Spritzen wurden mindestens 20 und das Knie ist auch nicht die angenehmste Stelle. Ich glaube, ich war ziemlich laut und der Arzt hat mehrfach gefragt, ob er aufhören soll, aber es bringt ja alles nichts und ich hab gesagt, dass ich es einfach nur rauslassen muss. Sie haben dann den Tumor entfernt und eine Probe von der darunter liegenden Wunde entnommen.

    Nachdem dann alles überstanden war, war ich nicht nur erschöpft, sondern auch erleichtert. Die Wunde war ziemlich groß danach, aber ich dachte, dass ich vielleicht in 4-5 Tagen wieder Zuhause bin. Leider nicht. Die Untersuchungsergebnisse des herausgeschnittenen Tumors zeigten, dass der Wundrand noch Tumorzellen enthielt. Es war weißer, bösartiger Hautkrebs. Die Wunde darunter entpuppte sich ebenfalls als Tumor. Und so wurden aus einem schon zwei.

    ,,Diesmal schaff ich das mit der örtlichen Betäubung, ist ja dann das letzte Mal!“, sagte ich und auch meine Mutter, die die ganze Zeit mit mir im Krankenhaus war, stand mir bei. ,,So ersparst du dir eine Vollnarkose und danach hast du es geschafft!“ Also nochmal das Ganze. Diesmal hatten die Ärzte Gott sei Dank Musik dabei laufen, wie der Zufall es will, lief ,,Never Give Up“ von Sia und ich sang so laut ich nur konnte mit - ,,And I won't let you get me down, I'll keep getting up when I hit the ground!“ Und so überstand ich auch die zweite Operation. Endlich nach Hause.

    Zwei Tage später kam das Ergebnis: Der Rand war immer noch nicht tumorfrei. Also mussten wir über Ostern bleiben. Noch eine Operation, aber diesmal mit Vollnarkose. Ich war fertig mit allem, hatte keine Kraft mehr dafür und sowieso schon genug Schmerzen. Ohne Zugang aber keine Vollnarkose und da dies bei mir aufgrund der Vernarbungen sehr schwierig war, erhielt ich einen ZVK (Zentraler Venenkatheter), also ein kleines Plastikröhrchen, das vom Hals bis kurz vor's Herz führt. Das bedeutete, dass ich einen sehr sicheren Zugang hatte. Der wurde mir auf der Intensivstation gelegt und während ich auf der Seite lag und mein Gesicht mit einem Tuch bedeckt wurde, damit keine Bakterien in die Wunde kommen, hielt mir ein angehender Arzt Händchen und munterte mich auf, weil ich wirklich Angst hatte.

    Der Narkose stand also nichts mehr im Weg und ich bat vorher noch – wenn ich doch schon in einer Hautklinik bin – darum, dass sie mir bitte die kleine Warze an der Hand entfernen. ,,Kein Problem, das geht schnell!“ Gesagt getan, nach circa einer halben Stunde war alles ohne Schmerzen überstanden und ich war topfit und nicht erschöpft, wie bei den ersten Malen.

    Und dann, nach den Feiertagen kam das Ergebnis: Das Knie war endlich wieder krebsfrei. Aber die Warze an der Hand war keine Warze, sondern auch ein Tumor im Anfangsstadium. Also noch eine Operation, die vierte, auch mit Vollnarkose. Es lief alles problemlos und danach war es wirklich geschafft. Als wir die Nachricht bekommen haben, dass jetzt alles gut ist und wir nach Hause dürfen, haben wir vor Freude geweint.

    Ich habe die Zeit als kraftraubend erlebt und als sehr anstrengend, vor allem körperlich. Nach dem Verbandswechsel und der desinfizierenden Creme hatte ich immer Schmerzen wie noch nie. Ich habe erst lächerliche Novalgin Tropfen bekommen, die andere bei Kopfschmerzen nehmen und ich bei einer Wunde von 25x10cm. Gott sei Dank bekam ich dann irgendwann stärkere Mittel. Ich war über Nichts dankbarer als über meine Mama, die bei mir war und die mich jeden abgelenkt hat mit Spaziergängen oder dem Spielen von Mühle und Mensch ärgere dich nicht.

    Auch habe ich mich über die Besuche meines Verbandlieferanten und einer befreundeten Familie eines EB-Kindes gefreut.

    Ich habe Kraft bekommen durch Freunde, die an mich gedacht und mir geschrieben haben und mich besuchen wollten (fast 500km sind dann aber doch etwas weit).

    Mittlerweile geht es mir wieder gut. Das Laufen fällt mir noch etwas schwer, aber es klappt immer besser und Schmerzen habe ich auch kaum. Die Wunden am Knie und an der Hand heilen unglaublich gut. Und so bin ich wieder zufrieden und freue mich, dass alles so gut ausgegangen ist.

    Hautkrebs ist bei Epidermolysis bullosa so häufig, weil die vielen Verletzungen die Haut so verändern, dass sie steif wird. So können sich Tumorzellen besonders gut verbreiten.

    Aber jetzt ist alles gut. Ich bekomme weder Chemo noch Bestrahlung, da beides bei EB nur dazu führt, dass Hautkrebs entsteht (Ironie des Schicksals).

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