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    Sind Sie wirklich behindert genug dafür?

    Wäre ich nicht so sehr auf Hilfe angewiesen, würde ich schon längst studieren. Aber das geht nicht, denn seit 13 Monaten warte ich nun darauf, dass mein Antrag auf Kostenübernahme einer Begleitperson bewilligt wird.

    Dass Behördengänge lange dauern, war mir durchaus bewusst. Deswegen habe ich im November 2015, also sieben Monate vor meinem Abitur, bereits den Antrag gestellt. Nichts Großes, sondern einfach nur den Standard-Satz ,,Hiermit beantrage ich das und das, weil das und das.“. Ich wusste, dass die zuständige Behörde mir antworten würde, dass sie noch einige Unterlagen von mir brauchen, aber ich wusste ja noch nicht genau welche. Als ich dann im April 2016 (also mal eben fast sechs Monate später) noch nichts gehört habe, habe ich da angerufen. Die Sachbearbeiterin hat sich doch tatsächlich am Telefon das erste Mal meinen Antrag durchgelesen – witzig. ,,Oh, ich lese gerade, dass sie im Juni ihr Abi machen, das ist ja schon bald, hahahaha. Aber es war ja Urlaubszeit!“ Ok, seit sechs Monaten? Es folgte ein fast einstündiges Gespräch in welchem mir Fragen gestellt wurden, bei denen ich nicht wusste, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. ,,Wer sagt denn, dass Sie ihr Abitur bestehen und einen Studienplatz bekommen?“, ,,Haben Sie überhaupt einen Behindertenausweis?“, ,,Haben Sie schon einen Studienplatz oder einen Praktikumsplatz?“ Klar, auf jeden Fall möglich, wenn ich das Abizeugnis noch nicht habe und mich somit noch nicht einschreiben kann – läuft! Und was schreibe ich in die Bewerbung für das Praktikum? ,,Ich würde gerne ein Praktikum bei Ihnen machen, aber hey, keine Ahnung, wann es losgehen kann.“ ,,Wie kommen Sie zur Uni? Bus und Bahn können Sie ja ruhig benutzen!“ Ja, bei Bus und Bahn besteht auch gar keine Verletzungsgefahr für mich! ,,Ich muss jetzt erst mal klären, was wir noch alles von Ihnen brauchen. Dauert circa eine Woche.“ Ja, aus einer Woche wurden Anderthalb Monate, aber macht ja nichts.

    Als ich dann den Brief bekam, musste ich erstmal lachen. Dass sie ärztliche Unterlagen und mein Abiturzeugnis brauchten und wissen wollten, wofür genau ich die Begleitperson brauche ist absolut verständlich. Aber das war ja nicht alles. Ich sollte eine Kopie meines Studentenausweises, meinen genauen Stundenplan und einen ausgefüllten Sozialhilfegrundantrag zusenden – seems legit. Ohne Begleitperson bekomme ich weder Studentenausweis noch Stundenplan, aber ok. Den Sozialhilfegrundantrag kann ich auch noch nachvollziehen, natürlich wollen sie wissen, ob ich irgendwelche Rücklagen habe. Aber der Rest?

    Wie dem auch sei, es hat wirklich ein bisschen Zeit in Anspruch genommen, alle Unterlagen zusammen zu bekommen. Klar, ärztliche Unterlagen hatte ich da. Aber ich musste noch auf die Zeugnisübergabe warten und der Sozialhilfegrundantrag war nicht ohne. Bis man da durchblickt und was man da alles offenlegen muss... Kontoauszüge, Familienkonstellation, Wohnsituation und so weiter... Als ich dann alles abgeschickt habe, hieß es erstmal wieder warten... Die Wochen vergingen und zwischendurch hab ich immer mal wieder angerufen. Aber meine Sachbearbeiterin war entweder im Urlaub oder krank. Als irgendwann eine Vertretung abgenommen hat und mir, nachdem sie in den Computer geschaut hat, sagte, dass sich noch NICHTS getan hat, war ich leicht ,,verwundert“. Ich fragte, wie lange ich warten sollte, denn eigentlich hätte mein Studium schon angefangen und es ist Pflicht, dass ich vorher noch ein dreimonatiges Praktikum mache. Zwei Stunden später rief mich eine andere Vertretung an und besprach noch einige Details mit mir. Am nächsten Tag hatte ich einen Brief in der Post – ich solle doch bitte drei Kostenvoranschläge von Diensten heraussuchen, die den Assistenzdienst anbieten. Leichter gesagt als getan. Ich telefonierte mich tagelang durch alle möglichen Pflegedienste. ,,Ne, sowas machen wir nicht!“ Irgendwann hatte ich einen Dienst, der mir wirklich geholfen hat. Ich habe erfahren, dass die Behörde eine Bearbeitungsfrist von zwei Wochen hat. Mein Gott, was sind da schon sechs Monate, ist doch nur knapp daneben. Momentan sieht es so aus, dass wir auf eine Begutachtung warten, die zeigen soll, dass ich WRIKLICH eine Begleitperson brauche. Einen Praktikumsplatz hätte ich sicher und die Zusage steht. Ich soll mich einfach melden, wenn ich eine Begleitperson habe (die ich übrigens immer noch suche). Und natürlich warte ich auf die Zusage, dass die Begleitperson finanziert wird. Aber die Zeit rennt. Eigentlich hätte ich am 1.12. mit meinem Praktikum anfangen müssen, damit ich am 1.3. mit dem Studium starten kann...

    Wenn man also auf Hilfe dieser Art angewiesen ist, sollte man den Antrag wirklich am besten schon ein Jahr vorher stellen und regelmäßig hinterhertelefonieren. Denn den Menschen im Büro ist manchmal nicht so klar, dass hinter dieser Akte auch ein Mensch steckt, der die Hilfe wirklich braucht und bei dem die Zukunft davon abhängt. Es ist mein Recht und ich werde benachteiligt, weil ich diese Hilfe nun mal brauche. Eigentlich und unter anderen Umständen, hätte ich längst mit meinem Studium beginnen können. Aber das geht nicht. Weil andere Leute nicht erkennen, wie wichtig es ist.

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