Angst? Nein, Vorfreude!
Am Mittwoch ist es wieder so weit – meine 51. Operation an der Speiseröhre steht an. Aufgeregt bin ich mittlerweile überhaupt nicht mehr, denn Operationen gehören zu meinem Leben dazu. Es ist mittlerweile Routine und ich verbinde viele gute und lustige Momente mit Krankenhäusern.
Ich werde am Dienstag ins Krankenhaus gehen, wo erst einmal alle möglichen Untersuchungen erfolgen. Von Wiegen, bis Blutdruck messen und Abhorchen ist alles dabei. Die neuen, jungen Ärzte, die diese Untersuchungen meist durchführen, haben dann erst mal eine Menge Fragen. Ob - und wenn ja - welche Medikamente ich nehme, wie gut ich momentan noch schlucken kann, wie sehr ich von der Krankheit betroffen bin und ob ich eigentlich Schmerzen hätte (Quatsch, üüüberhaupt nicht).
Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr ironischer Mensch bin und Sarkasmus liebe. Als mich vor zwei Jahren eine Krankenschwester fragte, ob ich das WLAN-Passwort möchte, bejahte ich natürlich sofort. ,,Aber nichts Illegales herunterladen oder kostenpflichtige Seiten besuchen!“, meinte sie dann zu mir. Ich hab nur (ironisch!) geantwortet:,,Nicht? Schade, hatte ich eigentlich vor.“ Fand sie irgendwie nicht so witzig, das Passwort hab ich dann natürlich auch nicht bekommen. Das fand ich wiederum witzig und fing keine Diskussion an.
Am Dienstag Nachmittag geht es dann zum Anästhesisten, also zum Narkosenarzt, damit ich ,,aufgeklärt“ werde und natürlich in die OP einwillige. Die Fragen von denen kenne ich in- und auswendig und meist muss ich den Ärzten noch erklären, was überhaupt los ist. Meine Mutter, die mit mir im Krankenhaus bleibt, und ich sind das aber schon gewohnt.
Den Rest des Nachmittags habe ich dann ,,frei“.
Ab zwölf Uhr nachts muss ich dann natürlich nüchtern bleiben, aber ich kann ja momentan eh fast nichts mehr essen, also kein Problem.
Am Mittwoch mache ich mich dann bereit für die OP. Duschen, verbinden, anziehen und dann heißt es warten. Die OP ist erst um 14 Uhr, um ca. 13 Uhr werde ich abgeholt und mit einem Bett in den Vorbereitungsraum geschoben. Ich verabschiede mich dann von meiner Mutter, werde auf eine Liege gelegt und mit einem beheizten Tuch zugedeckt, weil es im OP-Hemd dann doch etwas kalt ist. Und dann fängt die Arbeit an. Die Anästhesisten kennen mich und meine Krankheit schon und wissen eigentlich, worauf sie aufpassen müssen. Zuerst wird das EKG befestigt (nicht mit der normalen Klebeseite, das würde meine Haut zerstören), dann hört man die Herztöne – für mich ein unglaublich beruhigendes Geräusch. Es wird schon mal eine Vene gesucht, die sich später für einen Zugang eignet. Meistens endet die Diskussion damit, dass sie mir einen Zugang am Hals legen – sehr unangenehm, aber meine Arme sind einfach zu vernarbt. Ich erwähne noch zehn Mal, dass kein Pflaster auf meine Haut darf und ich nach der OP gerne direkt etwas gegen Übelkeit hätte und dann kommt der für mich vorerst letzte Teil – das Einschlafen. Ich höre immer noch das Piepen der Herztöne und die Stimmen – alles normal. Dann bekomme ich eine Maske aufgesetzt, durch die ich dann das Gas einatme. Ein wirklich schlimmer Geruch und ich werde im Alltag so oft daran erinnert und rieche ihn dann tatsächlich. Nach dem ersten Atemzug muss ich meist noch husten und mich schütteln, aber dann geht es. Ich atme weiter und plötzlich entfernt man sich immer mehr. Alles geschieht in Zeitlupe – die Töne des EKGs, die Stimmen der Ärzte. Es klingt, als wären sie ganz weit entfernt von mir. Das Letzte, das ich höre ist nur:,,Tiiiiieeef einatmen!“. Alles verlangsamt. Ich versuche jedes Mal, wach zu bleiben, aber es klappt einfach nicht.
Wenn ich dann wieder aufwache, befinde ich mich schon im Aufwachraum, meine Mutter und der Pfleger stehen daneben. Ich sehe dann immer alles doppelt, bin noch sehr müde und kann kaum reden. Aber man ist in einem Zustand, in dem man auf alle Fragen ehrlich antworten würde. Man kann es nicht kontrollieren, man hat keine Ahnung, was man sagt. Ich glaube, mich könnte jemand nach allen Passwörtern fragen – kein Probleeem, bitte schön!
Auf der Station angekommen, schlafe ich erst mal stundenlang. Wenn ich dann irgendwann wach bin, kann ich langsam damit anfangen, Tee zu trinken. Das Essen klappt noch am gleichen Abend – ich hab ja schlauerweise etwas gegen Übelkeit bekommen. Für mich ist der Moment, in dem ich nach der Operation anfange zu essen, sooo wichtig! Es geht wieder! Wenn die OP gut verlaufen ist, habe ich keine Schmerzen mehr beim Schlucken und alles rutscht runter. Dieses Gefühl, dass es wieder funktioniert, ist unbezahlbar. Und deshalb freue ich mich auf die OP. Die OP hilft mir, wieder essen und trinken zu können, wieder mehr Lebensqualität zu bekommen. Ich habe keine Angst davor. Wenn etwas schief geht, wie zum Beispiel beim letzten Mal, dann kann man es nicht ändern. Aber wenn es gut läuft, gewinne ich unglaublich viel!
Aber ich bin zuversichtlich, dass alles gut gehen wird. Schließlich werde ich meine Glücksbringer dabei haben und meine Mutter ist an meiner Seite. Wenn alles klappt, werde ich am Donnerstag auch schon wieder entlassen.