Warum ein Ballon mir hilft, wieder essen zu können
Die Magensonde, um die es im letzten Eintrag ging, ist eine unglaubliche Hilfe für EB-Betroffene. Zusätzlich ist es aber oft auch erforderlich, dass die verengte Speiseröhre von Zeit zu Zeit aufgedehnt wird.
Durch die ständigen Blasen und Wunden kommt es im Hals- und Speiseröhrenbereich sehr oft zu Vernarbungen. Dann wächst die Speiseröhre einfach zusammen. Das kann sehr unterschiedlich verlaufen – bei manchen passiert das sehr plötzlich, bei manchen ist es ein schleichender Prozess, manchmal passiert es aber auch gar nicht oder nur sehr selten. Allerdings kann ich hier (wie bei den anderen Einträgen auch) nur von meiner Seite aus berichten.
Ich musste die Speiseröhre schon sehr oft dehnen lassen (man nennt die Operation auch Dilatation). Bei mir ist es so, dass ich nach einer Operation wieder relativ normal essen kann. Es geht alles ziemlich gut herunter, trotzdem muss ich natürlich immer noch vorsichtig und langsam essen. Nach ein paar Wochen allerdings, wenn ich schon mehrere Blasen und Wunden im Hals hatte, die einfach unvermeidbar sind, fängt meine Speiseröhre wieder an, zusammen zu wachsen. Anfangs zieht sie sich durch die Reizungen komplett zusammen. Dann kann ich wirklich nichts essen oder trinken, eben auch meine eigene Spucke nicht herunterschlucken. Dieser Zustand dauert in der Anfangszeit vielleicht fünf Minuten, vielleicht aber auch eine Stunde. Dann, ganz plötzlich, entspannt sie sich wieder, kehrt aber nie zur ursprünglichen Weite zurück. Mit der Zeit passiert das dann immer öfter, sie zieht sich zusammen, löst sich wieder, aber immer schon ein Stückchen weniger. Dann irgendwann dauern diese Phasen des Zusammenziehens immer länger – mal fünf Stunden, mal zehn Stunden, oft auch nachts, was besonders anstrengend ist und wortwörtlich schlaflose Nächte bereitet. Irgendwann ist der Hals dann so vernarbt, dass er nur noch sehr wenige Millimeter weit ist. Ich merke dann: Jetzt geht es nicht mehr, ich muss wieder operiert werden.
Meine erste Operation hatte ich übrigens ungefähr mit Anderthalb Jahren, auch an der Speiseröhre. Es gab dann wirklich Zeiten, in denen ich alle paar Wochen operiert werden musste, weil sie einfach so schnell wieder zusammengewachsen ist. Mittlerweile hält es mal sechs Monate, mal ein Jahr. Das liegt am Cortison, welches ich nach den Operationen nehme. Wir haben gemerkt, dass selbst eine kleine Menge von 2,5mg am Tag ausreicht, um den Prozess ein wenig herauszuzögern. Irgendwann hilft aber auch das nicht mehr. Im August 2015 hatte ich meine letzte Operation – die 50. an der Speiseröhre, es war wie ein Jubiläum. Diese Operation bereitet mir längst keine Sorgen mehr, ich weiß genau, was passiert und kann den Text der Narkosenärzt*innen (Anästhesist*innen) beim Vorgespräch schon auswendig.
Bei den Operationen wird meine Magensonde herausgezogen. Dann wird eine Art Draht mit Ballon durch das Loch in die Speiseröhre eingeführt. Es ist unglaublich vorteilhaft, dass dies über das Loch der Magensonde funktioniert, denn wenn die Ärzt*innen den Ballon über den Mund und den Rachen hereinführen müssten, würden sie im Mund sehr viel verletzen. Der Ballon ist dabei noch nicht aufgeblasen. An der Engstelle wird er aber langsam mit einer Flüssigkeit gefüllt (nur Luft wäre zu wenig Widerstand) und somit wird die Speiseröhre auf 12mm gedehnt (normal wären 15mm, allerdings möchte man das Risiko nicht eingehen, dass etwas einreißt). Das Ganze dauert nur etwa 45 bis 60 Minuten, danach werde ich langsam wieder ,,geweckt“ und kann – nachdem ich mich richtig ausgeschlafen habe – auch sofort wieder anfangen, zu essen und zu trinken. Natürlich muss ich dann noch sehr vorsichtig sein, weil ja alles noch relativ wund ist, aber ich habe danach wirklich kaum Schmerzen.
Bei der letzten Operation (also ausgerechnet bei meinem Jubiläum) sah das mit den Schmerzen leider ein bisschen anders aus. Ich habe während der OP nicht mehr selbstständig atmen können und es musste ein Tubus gelegt werden. Dabei wird ein Schlauch über den Mund in den Rachen eingeführt und ermöglicht so die künstliche Beatmung über einen Beatmungsbeutel. Das hat zwar alles in meinem Mund und Rachen verletzt, sodass ich zwei Wochen weder sprechen noch essen und trinken konnte, aber es hat mir tatsächlich das Leben gerettet. Da ich durch die vielen Wunden Blut verloren hatte, brauchte ich danach noch eine Bluttransfusion, was aber alles halb so schlimm war.
Zwar möchte ich mit diesem Bericht Operationen nicht verharmlosen, aber ich möchte dennoch ganz deutlich darauf aufmerksam machen, wie viel in der Medizin möglich ist und dass es unglaublich hilfreich ist. Ich bin wirklich froh, dass ich die Chance habe, danach wieder einigermaßen normal essen zu können! Natürlich gab es letztes Jahr eine kleine Komplikation, aber das war wirklich eine Ausnahme. Es hat sonst immer super funktioniert und das Gefühl danach ist es einfach wert!