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    Unterwegs mit dem Rollstuhl

    „Krass, dass du das mit dem Rollstuhl so annehmen kannst!“ Diesen Satz hab ich schon öfter gehört und nie hab ich diese Aussage verstanden.

    Ich konnte früher noch ziemlich gut laufen, aber sehr lange Strecken haben mir zunehmend zu Schaffen gemacht. Ich habe mich bis ich elf war – in Extremfällen oder wenn ich einen schlechten Tag hatte und meine Füße voller Wunden und Blasen waren – immer in einen Kinderwagen gesetzt. Die Blicke und Sprüche der Menschen waren teilweise unter der Gürtellinie. Aber woher sollten sie auch wissen, dass meine Füße genauso aussehen wie meine Finger? Irgendwann hat diese Lösung aber einfach nicht mehr funktioniert. Ich war zu groß und vor allem zu alt.

    Also habe ich mit elf Jahren einen Rollstuhl bekommen. Der kann sowohl mit Joystick und Motor von mir selbst gesteuert werden, als auch von Mitmenschen geschoben werden. Mittlerweile habe ich zusätzlich einen ohne Akku, den man nur schieben kann, da dieser leichter ist und für kürzere Strecken und Unternehmungen, bei denen ich nicht unbedingt selbst rumcruisen muss, geeigneter ist. Und für mich war es damals nicht komisch, einen Rollstuhl als Teil von mir zu akzeptieren und ich habe mich nicht unwohl gefühlt oder war traurig darüber, dass ich so etwas brauche. Ich empfand es einfach nur als eine Möglichkeit, mich bei großer Anstrengung angenehmer fortzubewegen.

    Die Jahre sind vergangen und die Krankheit hat ihre Spuren hinterlassen. Früher konnte ich teilweise eine halbe oder eine ganze Stunde laufen und stehen, ohne mich setzen zu müssen (außer, es waren schlechte Tage). Heute sind es nur noch wenige Minuten. Es ist schleichend passiert und erschreckt mich manchmal selbst, wenn ich feststelle, dass mich ein bestimmter Weg, den ich damals problemlos beschreiten konnte, heute so sehr anstrengt. Manchmal könnte ich wirklich weinen, weil ich einfach weiß, wie es früher war. Aber so ist es eben: Die Narben, Wunden und Blasen, all die Verletzungen und die Operationen sind Teil der Krankheit und haben ihre Folgen.

    Und wenn mich dann Menschen fragen, wie ich meinen

    Rollstuhl akzeptieren kann, verstehe ich es eben nicht. Was der Rollstuhl mir schenkt, ist einfach unglaublich. Er schenkt mir Lebensfreude, Momente, Erfahrungen, Freunde, Sorglosigkeit und Erlebnisse. All das hätte ich nicht, wenn ich keinen Rollstuhl hätte. Ich könnte nicht in die Uni, nicht spazieren gehen, nicht in den Urlaub, nicht shoppen gehen, mich nur eingeschränkt mit Freunden treffen und nicht auf Konzerte. Mein Rollstuhl schafft Erleichterung, nimmt mir Schmerzen und bringt Spaß bei Aktivitäten. Wenn ich nur laufen müsste, könnte ich wegen all der Schmerzen die schönen Aktivitäten gar nicht genießen! Was der Rollstuhl mir alles ermöglicht hat und wohin er mich begleitet hat!

    Oft gibt es zwar Schwierigkeiten, das liegt aber nicht am Rollstuhl, sondern an der nicht vorhandenen Barrierefreiheit in der Welt! Wenn ich mir anschaue, wie wenig mitgedacht wird und wie viel Bedarf besteht, kann ich es manchmal gar nicht fassen. Die Welt ist so schlecht vorbereitet – selbst bei neugebauten Gebäuden! Da frag ich mich immer, ob Rollstühle wirklich so unbekannt sind, dass man sich gar nicht darauf vorbereiten und einstellen kann. „Wie? Rollstühle? Die gibt es? Und Stufen funktionieren da nicht? Auch nicht eine? Zur Deko? Sieht besser aus!“ Nein, geht nicht! Ich hab die Möglichkeit, dass ich noch etwas laufen kann und auch mal aussteigen kann, um in ein Geschäft zu gelangen. Aber wenn man das nicht kann, wird man so stark ausgegrenzt, das gibt es gar nicht! Ich finde einfach, dass es da noch sehr viel Lern- und Aufklärungsbedarf gibt und hoffe, dass sich das irgendwann ändert.

    Natürlich laufe ich auch gerne, wenn die Schmerzen nicht allzu schlimm sind und ich versuche auch, so gut es geht, auf meinen Rollstuhl zu verzichten. Und natürlich wäre es cooler, wenn ich keinen Rollstuhl bräuchte. Aber so ist es nun mal nicht und das ist nicht schlimm. Denn ich kann all die Sachen machen, auf die ich Lust habe – da ist es vollkommen egal, ob der Rollstuhl dabei ist, oder nicht!

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