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    Das Problem mit den Füßen

    Mal laufe ich auf Steinen, mal auf Nagelbrettern, mal auf Scherben und mal auf Nadeln. Aber noch nie bin ich auf Federn oder Watte gelaufen. Zumindest vom Gefühl her.

    Wenn andere mir sagen, dass sie von ihren zu engen Schuhen eine Blase bekommen haben und fast anfangen, zu weinen, muss ich irgendwie ein bisschen schmunzeln, ohne es je böse zu meinen.

    Aber ich kenne das Problem von EB-Betroffenen, denn es ist auch mein Problem.

    Die Haut so empfindlich wie Schmetterlingsflügel: So ist es auch an den Füßen. Meine Haut an den Füßen ist dünn und rot, genau wie an den Händen. Sie ist offen, wund und manchmal mit Blasen bedeckt. Die Zehen sind nach innen gekrümmt und zusammengewachsen. Durch die dünne Haut ist es, als liefe ich nur auf Knochen. Und es tut weh. Wenn du bei jedem Schritt, den du gehst, auf deine offenen Wunden und Blasen trittst und es sich anfühlt, als würde man über einen Haufen von Scherben laufen, dann hält man das nicht lange durch.

    Ich weiß, viele können es gar nicht nachempfinden. „Du musst mehr laufen, dann wird es besser. Deine Füße müssen trainiert werden!“ Nein. Natürlich ist Übung gut und auch ein bisschen Anstrengung schadet nicht. Man darf schließlich nicht aufgeben, will nichts verlernen und immer weitermachen.

    Aber nicht immer funktioniert es. Allein schon die Stellung der aneinander gewachsenen Zehen macht es fast unmöglich, das Gleichgewicht ohne Stütze zu halten. Ich habe einen unsicheren Gang. Manchmal schwanke ich ein bisschen und mache mir Sorgen, dass Fremde denken könnten, ich sei eine Jugendliche, die ihre Grenzen des Alkoholkonsums nicht kennt. Aber meine Güte, auch egal.

    Durch die Zehen und all die Vernarbungen kann ich nicht „abrollen“, habe einen starren Gang mit durchgestreckten Knien, weil ich anders einfach nicht laufen kann. Ich beuge mich automatisch immer leicht nach vorn, um nicht zu fallen oder mich im Zweifelsfall im letzten Moment halten zu können. Ich fühle mich unsicher. Ich muss jeden Schritt beobachten, schaue dabei eigentlich immer auf den Boden und muss mich konzentrieren, jeden Schritt überdenken. Ein falscher Tritt, eine falsche Bewegung oder ein Ausrutscher und ich habe eine neue Blase. Es geht so schnell.

    Deswegen bin ich auch so langsam. Alles in mir verlangt höchste Konzentration, genaue Vorsicht und Überlegung. Ich kann es mir einfach nicht leisten, loszurennen.

    Und es gibt Sachen, die ebenfalls schlimmer sind, als „normales“ Laufen: Bergab ist schwierig, da der Fuß leicht nach vorne rutscht und meine Haut so mitrutscht – nicht schön. Unebener Boden ist mindestens genauso schlimm, da ich in dem Fall noch weniger Halt und Sicherheit habe. Dieses Ausbalancieren ist für mich ganz schwierig.

    Ich könnte auch niemals ohne (Haus)Schuhe laufen. Der gerade Boden tut so weh an meinen geformten Füßen.

    Ich kann auch nicht in ein normales Geschäft gehen und mir normale Schuhe aussuchen. Sie sind so platt, schmiegen sich nicht an meinen Fuß, sind meistens zu lang oder (wenn sie nicht zu lang sind) zu schmal. Mit den Verbänden in normale Schuhe zu kommen ist fast unmöglich. Ballerinas, Sandalen und Absatzschuhe sind vom Schmerz her so stark, dass es gar nicht geht. Aber meistens komm ich auch nicht rein.

    Ich bekomme orthopädische Schuhe. Alle zwei Jahre, zwei Paar. Ohne Spaß: Wer kauft sich nur alle zwei Jahre neue Schuhe? Das ist doch ein Witz! Keine Frage, ich bin dankbar, aber die Vielfalt ist begrenzt.

    Aber mir werden Abdrücke genommen (mit Verband) und die weichere Sohle wird genau meiner Form angepasst, sodass ich nirgendwo rutschen kann und ich Halt habe. Außerdem gehen die Schuhe etwa bis zum Sprunggelenk, sieht im Sommer blöd aus, aber auch dadurch gewinne ich an Stabilität und Halt.

    Dank meines guten Schuhmachers sehen sie nicht „typisch orthopädisch“ aus und sind nicht sooo klobig. Soll mir auch alles egal sein, solange ich dadurch besser laufen kann.

    Wegen all der Umstände bin ich also zeitweise auf einen Rollstuhl angewiesen, der mein Leben so unnormal erleichtert. Natürlich versuche ich noch, so viel wie möglich zu laufen, aber Manches geht einfach nicht.

    Und ich merke, wie es immer schwieriger wird. So konnte ich als kleines Kind noch durch unsere Stadt laufen (natürlich auch langsam), mittlerweile schaffe ich aber nur ungefähr hundert Meter.

    Aber so nimmt der Wandel seinen Lauf, ich bin mir dessen bewusst, dass es schlimmer wird, aber ich bin darauf vorbereitet und akzeptiere es, auch wenn ich auf der anderen Seite versuche, irgendwie dagegen anzukämpfen.

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